War das Jahr 2020 auch für die Verfassung ein Einfallstor für Erodierung? Damals, als Prof. Stephan Harbarth zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts berufen wurde? Ein Anwalt, dem Befangenheit aufgrund von
Wirtschaftsmandaten vorgehalten wurde? Der sich als CDU-Abgeordneter für die Vorratsdatenspeicherung eingesetzt und mitgeholfen hatte, das später von ihm selbst als verfassungswidrig verkündete BND-Gesetz durchs Parlament zu bringen? Derjenige Harbarth, der dann nach einem Abendessen mit Kanzlerin Merkel dennoch an der Corona-Bundesnotbremse mitarbeiten durfte?
Wie ist es seither mit unserer Verfassung bestellt? Sie regelt den organisatorischen Staatsaufbau, die Beziehung zu seinen Bürgern und deren wichtigste Grundrechte und Pflichten. Die Verfassung ist ja auch die Norm, durch die die Macht, vor allem die des Staates, begrenzt wird.
Uns ist der Verfassungsrechtler Josef Franz Lindner aufgefallen, der sich in letzter Zeit häufig besorgt äußerte und haben ihn zum Gespräch gebeten. Josef Franz Lindner ist seit 2012 ordentlicher Professor am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Medizinrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Augsburg und seit 2015 Geschäftsführender Direktor des Instituts für Bio-, Gesundheits- und Medizinrecht an der Universität Augsburg. Eva Schmidt hat ihn interviewt und bezog sich zunächst auf seinen damaligen Habilitationsvortrag, mit dem er die Lehrberechtigung für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht, Rechtsphilosophie und Verwaltungswissenschaften erworben hatte. Der hieß nämlich: „Zur Kategorie des rechtswertungsfreien Raumes“. Wohin zielte seine damalige Fragestellung? Wollte er damals wissen, ob zu viel zu wenig rechtswertungfreier Raum in unserer Gesellschaft existierte?
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